Skip to content

Sexismus als gesellschaftliches Verhältnis

Unter Sexismus verstehen wir eine Ideologie, die auf Grundlage des Geschlechtes fundamentale Unterschiede zwischen den Menschen behauptet. Dabei verbindet der Sexismus beschreibende Elemente („Männer sind rational, Frauen sind emotional“) mit moralischen Forderungen („Frauen müssen sich auf Familie und Kinder konzentrieren“). Daraus ergeben sich die Geschlechterrollen, die sowohl die persönliche Freiheit von Individuen einschränken, als auch die systematische Diskriminierung von jenen hervorrufen, die etwa als „Frauen“ oder „Homosexuelle“ (siehe unten) identifiziert werden. Analog zum Rassismus besteht aber auch der Sexismus nicht erst dann, wenn es zu handfester Diskriminierung kommt; das Postulieren von Geschlechterrollen ist an sich bereits ein sexistischer Akt.

Wir erkennen selbstverständlich an, dass es aus Sicht von Medizin und Biologie in gewissen Fällen Sinn macht, männliche und weibliche Mitglieder der Spezies Homo sapiens voneinander zu unterscheiden; aus dieser Typologie ergibt sich aber kein Schluss auf soziale Geschlechterrollen.

Geschlechterrollen

Das wesentliche Element des Sexismus ist die Einführung von Geschlechterrollen. AnhängerInnen des Sexismus gehen davon aus, dass es „typisch männliche“ oder „typisch weibliche“ Verhaltens- und Denkweisen gebe, und leiten aus diesen Stereotypen Vorschriften darüber ab, wie Menschen zu leben haben. Der Verstoß gegen diese Vorschriften kann ernsthafte Sanktionen bis zum Tod mit sich führen. Gegenwärtig sind vor allem Frauen negativ von der sexistischen Rollenverteilung betroffen, doch auch Männer werden durch sozialen und teilweise (insbesondere in Bezug auf Transpersonen) legalen Druck zur Konformität gezwungen und damit der Möglichkeit zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit beraubt.

Generell lässt sich sagen, dass die Begründungsstrategien für die These, es gebe so etwas wie männliche und weibliche Charaktereigenschaften, auf der Fetischisierung bzw. Naturalisierung gesellschaftlicher Machtverhältnisse basiert. Der allergrößte Teil der unterstellten Unterschiede zwischen Männern und Frauen stellt sich bei gewissenhafter wissenschaftlicher Prüfung als nicht existent heraus. In einem Experiment sollten Mitglieder beider biologischer Geschlechter eine Reihe mathematischer Aufgaben lösen. Wurde ihnen vorher mitgeteilt, dass Frauen in diesem Test generell schlechter abschneiden würden, dann erfüllte sich die Vorhersage, und die Männer schnitten besser ab. Wenn aber vor der Durchführung des Tests bekannt gegeben wurde, dass Männer und Frauen durchschnittlich gleich gut abschneiden, so fiel der Unterschied zwischen den Geschlechtern weg. Eine andere Studie konnte nachweisen, dass die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen in Bezug auf die mathematischen Fähigkeiten mit dem Ausmaß gesellschaftlicher Geschlechterdifferenzen zusammenhängt; in Schweden, wo es effektive staatliche Gleichstellungsprogramme gibt, waren Jungen und Mädchen gleich gut. Dies alles bezeugt den außerordentlichen Einfluss gesellschaftlicher Erwartungen und gleichzeitig die Tatsache, dass frauenfeindliche Mythen nichts mit der objektiven Wirklichkeit zu tun haben.

Auch solche Unterschiede, die bei allen Experimenten durchgehend empirisch nachgewiesen werden können, dürfen nicht leichtfertig naturalisiert werden. Alle Versuchsobjekte sind innerhalb einer Gesellschaft sozialisiert worden, die sie von Geburt an einer sexistischen Propaganda aussetzt, die nicht nur von Eltern, LehrerInnen und Medien ausgeht, sondern letztendlich von allen Menschen.5 Mehr noch: Um sich innerhalb sexistischer Gesellschaften orientieren zu können, muss das Individuum die bestehenden Geschlechterrollen verstehen und damit zumindest teilweise verinnerlichen; für die Einzelne ist das Geschlechterverhältnis eine sozio-materielle Realität. Somit existiert bereits eine gut geprüfte Erklärung für faktisch existierende Unterschiede. Zusätzlich zu dieser bestehenden Erklärung noch fundamentale biologisch bedingte Verhaltensunterschiede zwischen den Geschlechtern heranzuziehen, verstößt gegen die Methode der Wissenschaft. Was zu erklären war, also das Ergebnis der Studien, ist bereits erklärt – durch den Einfluss von Lebenswelt und Propaganda. Das Einführen einer weiteren, obsoleten Erklärung („Frauen/Männer sind von Natur aus so und so“) verstößt gegen Occams Rasiermesser6 und damit gegen die Prinzipien der Wissenschaft. In Bezug auf sogenannte „evolutionäre Erklärungen“ reicht es festzustellen, dass sie völlig beliebig zur Begründung von jeglichem Verhalten herangezogen werden können, wenn nur ein jeweils passender „Urzustand“ postuliert wird. Damit haben sie keinen wissenschaftlichen Wert.

Ein weiteres schlagkräftiges Argument gegen das sexistische Denken besteht im Verweis auf die massiven Unterschiede, die in verschiedenen Kulturen zu verschiedenen Zeiten in Bezug auf das Verhalten der Menschen und die Verteilung der Geschlechterrollen existieren bzw. existierten. Obwohl diese gigantische Vielzahl von Rollenmodellen, von Männlichkeits- und Weiblichkeitsidealen nachgewiesen werden kann, behauptet die SexistIn, dass das jeweils eigene Modell das „natürliche“ sei. Die Varianz der Gender-Konzepte beweist aber nur die Flexibilität und Formbarkeit menschlicher Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensmuster.

Unabhängig davon, dass die empirisch-beschreibenden Elemente des Sexismus ungerechtfertigt, irrational und falsch sind, ist der Sprung auf die normativ-moralische Ebene („Frauen sollen sich so und so verhalten“) a priori unethisch. Eine aufgeklärte und an den menschlichen Bedürfnissen orientierte Moral gewichtet die Interessen aller Menschen gleich. Unterschiedliche Pflichten für verschiedene Menschengruppen aufgrund willkürlicher Kriterien zu definieren verstößt gegen das universalistisch-rationalistische Prinzip einer modernen und philosophisch durchdachten Ethik. Bei sexistischen Rollenerwartungen handelt es sich um Moralvorstellungen, die um keinen Deut besser sind als das feudale Adelsprivileg: Ohne jeden Grund werden die Rechte und Pflichten eines Menschen auf die zufälligen Umstände der Geburt zurückgeführt. Dabei handelt es sich um einen Sein-Sollen- Fehlschluss.

Patriarchale Unterdrückung

Eigentlich überall auf der Welt können Personen, die als männlich identifiziert werden, mit einer bevorzugten Behandlung rechnen. Dies ist kein Definitionsmerkmal des Sexismus, aber sein realer Ausdruck in der historischen und aktuellen Wirklichkeit. Männer werden auch heutzutage nicht nur besser bezahlt und in sozialen Interaktionen ernster genommen, sie besetzen auch den Großteil der gesellschaftlich relevanten Posten. Der real existierende Sexismus ist das Patriarchat. Das bedeutet, dass Frauen in die Position der Unterdrückten gedrängt werden, während Männer von dieser Unterdrückung auf mannigfaltige Art und Weise profitieren und deswegen trotz ihrer eigenen Unterwerfung unter die Geschlechterrollen ein gewisses objektives Interesse daran haben, das Patriarchat aufrecht zu erhalten. Die Verteilung der Rollen erfüllt in allen Formen des patriarchalen Sexismus eine einfache Funktion: Frauen von gesellschaftlichen Machtpositionen (Politik, Militär, wirtschaftliche Lenkung und Wissenschaft) fern zu halten und damit die Bedingungen ihrer Unterjochung permanent wieder herzustellen. Zu diesem Zweck werden weiblichen Menschen jene Charaktereigenschaften anerzogen, die sie daran hindern, überhaupt den Versuch zu unternehmen, in einflussreiche Sphären vorzudringen. Jedes sexistische System macht Männer und Frauen zu defizitären Wesen, das Patriarchat zeichnet sich aber notwendigerweise dadurch aus, dass die männliche Rolle doch als die „bessere“ (für den Träger, nicht für sein Gegenpart …) angesehen werden muss.

Patriarchat und bürgerliche Gesellschaft

Auf der Grundlage von Theorieelementen, die in unterschiedlicher, aber grundsätzlich ähnlicher Form von Roswitha Scholz und Silvia Federici formuliert worden sind, betrachten wir die in westlichen Industrienationen vorherrschende Variante des Sexismus als seine spezifisch kapitalistisch-bürgerliche Form. Im Gegensatz zu vormodernen Produktionsweisen basiert das warenproduzierende System auf einer klaren Trennung produktiver Tätigkeit in Lohnarbeit und sonstiger, „privater“ Aktivität. Nur Erstere ist im Sinne des Kapitalismus überhaupt der Sphäre der Ökonomie zuzurechnen.

Während Frauen beispielsweise im europäischen Mittelalter trotz ihrer insgesamt unterdrückten Stellung wichtige ökonomische Funktionen erfüllten (so war die Frau, nicht der Mann für die Verwaltung des Familienvermögens verantwortlich) ist ihre Rolle im bürgerlichen Modell auf die als außerökonomisch definierte Sphäre des Häuslichen beschränkt: Während der Mann das monetäre Einkommen der „Familie“ durch Lohnarbeit sichern soll, besteht die Aufgabe der Frau darin, Reproduktionsarbeit zu leisten, also Wäsche zu waschen, Essen zu kochen, das Haus oder die Wohnung sauber zu halten, die Kinder zu erziehen und das emotionale und sexuelle Wohlbefinden des Mannes zu sichern. Das „klassische Rollenbild“ ist nicht „klassisch“, sondern bürgerlich und aus einer historischen Perspektive betrachtet auch nicht besonders alt. Stofflich betrachtet ist die „weibliche“ Reproduktionsarbeit für die Aufrechterhaltung der gesamtgesellschaftlichen Produktion und damit für die Generierung des gesellschaftlichen Reichtums ebenso unverzichtbar wie die „männliche“ Erwerbsarbeit. Die für den bürgerlichen Sexismus konstitutive Sphärentrennung (Scholz spricht von der „Wertabspaltung“) sorgt aber dafür, dass die von Frauen verrichtete Hausarbeit unsichtbar gemacht wird. Dadurch wird die Frau nicht nur zu einer unbezahlten Arbeiterin, also einer Art von Sklavin degradiert, sie wird außerdem durch ideologische Mystifikation („Hausarbeit ist Ausdruck der Liebe gegenüber dem Ehemann und inneres Bedürfnis von Frauen“) daran gehindert, die patriarchal organisierte Hausarbeit nüchtern als das zu betrachten, was sie ist: eine ideologisch verschleierte Transaktion, die in den meisten Fällen nicht einmal den kapitalistischen Prinzipien des Äquivalententauschs entspricht.

Die Intensivierung der Hausarbeit und die damit verbundene Überforderung und physische sowie psychische Verausgabung wurden im 19. und frühen 20. Jahrhundert durch Staat und Kapital bewusst herbeigeführt. Durch die Rationalisierung der Reproduktionsarbeit konnte die Ausbeutung der männlichen Arbeiter und damit die Mehrwertproduktion gesteigert werden. Dabei erfüllen Frauen auch die Funktion des „emotionalen Blitzableiters“ für die männliche Hälfte des Proletariats.

Obwohl in vielen Staaten durch die Errungenschaften der feministischen Bewegung eine größere finanzielle Unabhängigkeit von Frauen erzielt werden konnte, ist die Trennung von Reproduktions- und Erwerbsarbeit auch im digitalen Zeitalter noch ein wichtiger sozialer und ökonomischer Faktor. In vielen Fällen sind Frauen einer Doppelbelastung ausgesetzt, die darin besteht, dass sie sich sowohl um den Haushalt als auch das Geldverdienen kümmern müssen.

Homphobie als Form des Sexismus

Der unreflektierte Sprachgebrauch des Alltags bezeichnet mit dem Wort Sexismus nicht das Geschlechterverhältnis als solches, sondern nur eine seiner Auswirkungen, die Unterdrückung der Frauen (Patriarchat). Diese Misskonzeption sorgt dafür, dass die Homophobie, also der Hass auf Personen mit homosexuellen Präferenzen, als ein vom Sexismus gesondertes Phänomen wahrgenommen wird.

Diese Sichtweise ist begriffslos. Homophobe Gedanken müssen als Resultat und Teilelement des Sexismus verstanden werden, weil sie ohne die Existenz normativer Geschlechterrollen gar nicht denk- und formulierbar sind, damit also logisch auf ihnen aufbauen. Die Behauptung, dass der Sex mit einem Mann für Frauen in Ordnung, aber für Männer verboten sei, impliziert zwangsläufig unterschiedliche Rechte und Pflichten aufgrund des Geschlechtes und ist damit automatisch sexistisch. Wenn ein schwuler Mann oder eine lesbische Frau verfolgt oder gar ermordt werden, dann handelt es sich um die „Bestrafung“ derer, die es gewagt haben, gegen das menschenfeindliche Prinzip der Geschlechternormen aufzubegehren. Im Angesicht homophober Formen des Sexismus kann eine homosexuelle Handlung als antisexistischer Akt begriffen werden.

Anders als die patriarchale Unterdrückung kann die Homophobie regelmäßig die Form eines mörderischen Vernichtungswunsches annehmen. Im Gegensatz zu heterosexuellen Frauen sind homosexuelle Menschen für die Reproduktion der menschlichen Spezies, der männlichen Arbeitskraft und des Sexismus nicht unverzichtbar Die Ideologie der eliminatorischen Homophobie ist besonders virulent, wenn der Faschismus Aufwind gewinnt.

Patriarchaler Sexismus in Alltag und Politik

Menschen, die als Frauen identifiziert werden, sind der patriarchalen Unterdrückung tagtäglich ausgesetzt. Die mit dem Status als unterdrückte Personengruppe verbundene Erfahrung permanenter Marginalisieurng und Diskriminierung kann massive Auswirkungen auf die Psyche haben und entweder starken Leidensdruck oder die Verinnerlichung der sexistischen Normen auslösen. Wer als Frau identifiziert wird, muss sich oftmals Zweifel an der eigenen Durchsetzungsfähigkeit, Intelligenz und Leistungsfähigkeit anhören. In Staaten, in denen die feministische Bewegung weniger Erfolge erzielen konnte und/oder das ideologische Koordinatensystem der Mehrheitsbevölkerung besonders patriarchal strukturiert ist, sind diese Faktoren noch deutlich verstärkt. Ein extremes Beispiel dafür ist Saudi- Arabien, ein Land, in dem Frauen von der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben beinahe vollständig ausgeschlossen werden und eine massive juristische Ungleichbehandlung über sich ergehen lassen müssen.

Ein Kernelement der weiblichen Alltagserfahrung ist das Faktum der beständigen Sexualisierung und Objektifizierung. Da das Patriarchat nur dem Mann einen vollen Subjektstatus zuschreibt, ist das gesellschaftlich verbreitete Frauenbild ein Spiegel der Projektionen männlicher Sexualität, der durch kapitalistische Medien, allen voran die Werbe- und Pornoindustrie, massenwirksam reproduziert wird. Dass die sexuelle Objektifizierung Frauen aus der Sicht männlich-patriarchaler Lust bzw. Destruktivität betrachtet, bedeutet aber nicht, dass sie de facto nur oder hauptsächlich von Männern praktiziert wird. Vielmehr wird die Sexualisierung des weiblichen Körpers unter den Bedingungen des Patriarchats durch die Gesellschaft als Ganzes generiert und perpetuiert, also von Männern und Frauen. Trotzdem sind es fast ausschließlich Männer, die Frauen verbal belästigen und sexualisierte Gewalt praktizieren. Vergewaltigung und sexuelle Belästigung sind in den westlichen Industrienationen sehr häufig und werden kaum juristisch verfolgt – nur x% der Vergewaltigungsklagen in Deutschland führen zu einer Verurteilung, und wir müssen davon ausgehen, dass ein Großteil der Opfer sexualisierter Gewalt die Täter niemals anzeigen, weil die Erfolgschancen so gering sind und die Stigmatisierung der Opfer immer noch weit verbreitet ist. In einer bedeutenden Zahl nichtwestlicher Staaten, insbesondere in solchen, die durch Islamisten oder andere Fundamentalisten beherrscht werden, aber auch in einigen von Rechtskonservativen beherrschten Industrienationen, ist die Akzeptanz sexueller Gewalt noch höher. In vielen Ländern auf der Erde ist die Vergewaltigung in der Ehe (in Deutschland wurde sie erst 1997 verboten) vollkommen legal.

Die Durchsetzung des Sexismus erfolgt zu großen Teilen unbewusst; eine Person muss also gar nicht in diskriminierender Absicht handeln, um sexistische Rollenbilder und patriarchale Marginalisierung zu reproduzieren und zu bestärken. In allen alltäglichen Handlungen wird das Geschlechterverhältnis implizit mitgedacht, es prägt massiv, wie mit alltäglichen Situationen und anderen Menschen umgegangen wird. Frauen wird häufiger ins Wort gefallen, sie werden subtilen Erwartungen ausgesetzt und mit völliger Selbstverständlichkeit für häusliche und emotionale Arbeit verantwortlich gemacht – auch in linken Kreisen, die sich antisexistisch und feministisch wähnen.

Politisch betrachtet wirkt der Sexismus als nicht zu unterschätzendes Hemmnis für den Aufbau von transformativer Kaderorganisation und Klassenmacht. Die Spaltung des Proletariats in Männer und Frauen und die daraus resultierenden Konflikte schwächen unsere Strukturen und erschweren die zielgerichtete Mobilisierung und Organisierung der Arbeiterschaft.

Positionierung

Die Association for the Design of History fordert nicht nur ein Ende jeglicher Diskriminierung von Frauen, Homosexuellen und anderen Opfern des Sexismus, sondern auch die Abschaffung der Geschlechterrollen selbst. Wir setzen uns für eine Zukunft ein, in der die Idee, Menschen auf der Grundlage des biologischen Geschlechtes zu stereotypisieren, ausschließlich Unverständnis und Empörung auslösen würde. Der kommunistische Zustand muss eine Gesellschaft sein, in der freie Personen (keine „Männer“ oder „Frauen“) mit den gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet sind und die körperlichen Geschlechtsmerkmale nur ein ganz äußerliches Merkmal darstellen, analog zu Körpergröße oder Haarfarbe. Die Aufhebung des Sexismus wird patriarchale Unterdrückung und homophobe Diskriminierung unmöglich machen und es der Menschheit endlich erlauben, ihr wahres Potenzial zu entfalten. Der Menschentyp der Zukunft wird ethisch orientiert, emotional reif, selbstbewusst, fürsorglich und stark zugleich sein. Rationale Regulation und Organisation des menschlichen Gattungslebens und dessen kybernetischen Überbaus sind undenkbar ohne die Abschaffung der Ideologie und Praxis der Geschlechtertrennung.

Gleichzeitig müssen wir uns vor Augen führen: Es reicht nicht, nur die Vision einer zu realisierenden antisexistischen Gesellschaft in Aussicht zu stellen. Das Ideal lässt sich nur durch Menschen verwirklichen, die sich in Alltag und Politik aktiv für die Bekämpfung des Patriarchats einsetzen. Ebenso wie wir von der Arbeiterschaft nicht erwarten können, den Kapitalismus abschaffen zu wollen, bevor praktische Erfolge mit lebensweltlichen Konsequenzen erzielt worden sind, dürfen wir uns auch nicht der gefährlichen Fiktion hingeben, eine feministische Bewegung könne allein durch den Verweis auf die Utopie einer „Post-Gender-Gesellschaft“ aufgebaut werden. Nur die praktische und theoretische Unterstützung feministische Kämpfe und die Durchsetzung spürbarer Verbesserungen für eine signifikante Anzahl von Frauen und Homosexuellen kann antisexistschen Ideen Glaubwürdigkeit verschaffen und zur Überwindung der Spaltung der ArbeiterInnenklasse beitragen. Transformativ- akzelerationistische Politik basiert auf der Vermittlung von Utopie und Gegenwart.

Innerhalb transformativer bzw. linker Strukturen muss die Illusion, der Antisexismus sei allein eine Frage des Bekenntnisses, entschlossen zurückgedrängt werden. Alle innerhalb sexistischer Verhältnisse aufgewachsenen Personen reproduzieren diese durch ihr intuitives Verhalten, und zwar unabhängig davon, wie sie sich theoretisch oder ethisch zum Thema Sexismus positionieren. Weil sexistische Verhaltensweisen zu großen Teilen unbewusst sind, muss eine antisexistische Kommunikationspraxis aufwändig und im Beisein a) weiblicher, und b) theoretisch geschulter Personen erlernt werden.

Zum Zurückdrängen des Alltagssexismus sind auf der gesellschaftlichen Ebene massive Bildungs- und Medienkampagnen notwendig. Die transformative Gesamtbewegung muss in zunehmendem Maße intellektuelle und materielle Ressourcen aufwenden, um Männer und Frauen über das Wesen und die fatalen Auswirkungen des Sexismus aufzuklären. Wir müssen mit heftigen Gegenreaktionen rechnen: Einige Männer werden, anstatt sich der im transformativen Prozess verkörperten Realvernunft unterzuordnen, ihre Privilegien eifersüchtig verteidigen, die Existenz des Sexismus verleugnen und/oder Strategien der Täter-Opfer-Umkehr anwenden. Aber selbst einige Frauen werden Energien für den Erhalt der Geschlechternormen einsetzen und sich auf die Seite ihrer objektiven Unterdrücker stellen. Diese Kräfte sind als Feinde der Bewegung anzusehen und als solche mit größtmöglicher Effizienz zu bekämpfen.

Fußnoten

xx